Theorie der Architektur und Entwerfen

Bleibe Perspektive

Titel: Bleibe Perspektive – Wohnen im Kontext der bayrischen Asylpolitik

Verfasserin: Amelie Pickel

Zeit: Sommersemester 2022

Betreuer: Prof. Richard Woditsch, Prof. Gabu Heindl

These: Master

„Bleibeperspektive“: „Bleibe“ als ein Ort oder Raum, in dem man bleiben und wohnen kann, und „Perspektive“ im Sinne einer Zukunftsaussicht oder weiterführend eines Möglichkeitsraums.

Die Unterkünfte für Asylbewerber:innen in Nürnberg befinden sich überdurchschnittlich häufig in einer unattraktiven städtischen Umgebung. Dies ist nicht nur erkennbar an der Lage in oder an Gewerbe- und Industriegebieten, sondern auch an der unmittelbaren Nähe zu stark frequentierter verkehrlicher Infrastruktur. Lärm- und Feinstaubbelastung sind die Folge. Umnutzungen von Büros zu Wohngebäuden, eine hohe Bewohner:innenbelegung und eine Ausstattung mit einem niedrigen Standard werden von Seiten der bayerischen Regierung häufig mit der Entlastung des freien Wohnungsmarkts gerechtfertigt

Durch das Zuweisen einer Unterkunft im Bundesgebiet, also durch das „Platziert werden“, wird die Ohnmacht der Bewohner:innen deutlich, auch durch das Sachleistungsprinzip, wie etwa die Bereitstellung von Kleidung und Mobiliar, wird ein starres Gefüge von Abhängigkeiten geschaffen. Geflüchtete sind damit nicht nur auf Leistungen des Staats angewiesen, sondern erleben auch eine Ent-Individualisierung, da es ihnen nicht möglich ist selbstbestimmt zu leben

Das Unterbinden von Eigeninitiative und Selbstbestimmung fördert Frustration. Das Zusammenleben mit mehreren Personen auf engstem Raum und der Mangel an Privatsphäre erhöhen die psychische Belastung. Hinzu kommt die Tatsache, dass der Behördenzugriff in Sammelunterkünften nahezu ungehindert möglich ist. Die Angst vor einer Abschiebung wird auf die Räumlichkeiten projiziert. Wohnen stellt im Falle der Geflüchteten keinen Rückzugsort oder Safe space dar, sondern ist eine Verräumlichung der Asylinstitution.

Wenn das dann am Stadtrand ist, mit Sicherheitsdienst und Zäunen, ist die Hürde natürlich viel Größer zu sagen: „Ich schau da mal vorbei und engagiere mich vielleicht.“

– Franziska Sauer

Die Aufgabe der Zukunft besteht nicht ausschließlich in der Betrachtung und Kreation der „Bleibe“, als einen Raum zum Wohnen, sondern in der Entwicklung einer gesamtheitlichen „Perspektive“ was den Umgang mit gesellschaftlich bedeutsamen Themen angeht